2011年7月22日金曜日

15:Ausstieg aus der Lebenslüge

 ベルリンで発刊されている環境、政治、経済の季刊誌「ZEO2」がフクシマ特別号を6月に発刊しています:http://www.zeozwei.de/
編集長はTageszeitung(TAZ)で長年環境問題の専門家であったマンフレッド・クリーナーさんですが、彼が4月29日にわたしにインタヴューをして以下の記事を書いています。
「明日うらしま」のドイツでの読者も多いので以下転載しておきます。


 わたしの発言から採ったタイトルは「人生の嘘からの撤退」とでも訳せますが「人生の嘘」という概念が日本では定着していないので「生きるための嘘/錯覚」とでも翻訳した方が良いかも知れません。この言葉の意味についてはついては、→続きの別項で解説したいとおもいます。 


Japan braucht Zeit und Mut für die Exitstrategie           von Manfred Kriener
 

Ausstieg aus der Lebenslüge

Nach der Standpauke von Nobelpreisträger Ooe: Wird Japan aus der Katastrophe lernen? Regierungschef Kan bleibt trotzig auf Atomkurs, aber der Schock von Fukushima sitzt tief


Mit hoher Geschwindigkeit rasen Autos durch evakuierte Gebiete. Die Scheiben sind sorgsam hochgekurbelt, dahinter Menschen in Schutzanzügen, Rückbank und Kofferraum vollgestopft mit Geschirr, Kleidern, Vogelkäfigen. Zwei Stunden bleiben jeder Familie, um das Wichtigste aus verlassenen Häusern zu holen. Danach herrscht Stille. Nur ein paar Hunde jaulen noch in menschenleeren Straßen. Es ist ein letzter, amtlich erlaubter Blitzbesuch vor Inkrafttreten der Sperrzone. In den nächsten Jahren, vielleicht Jahrzehnten, dürfen 180.000 Menschen nicht mehr in ihre Heimat zurück.

Es ist als würde man ein Loch in die Landkarte brennen. 20 Kilometer rund um die Atommeiler Fukushimas sind seit 21. April verbotenes Terrain. Bis zu 30 Tage Gefängnis drohen bei Verstößen. Zuvor waren immer wieder Menschen in den evakuierten Gebieten aufgespürt worden. 3.370 Häuser hatte die Polizei Anfang April durchsucht, 63mal war sie auf Bewohner gestoßen, die der Strahlung getrotzt hatten. Lieber sterben als flüchten!

„Japaner sind sehr sesshaft“, erklärt Taichiro Kajimura. Der seit 1974 in Berlin lebende Politologe und Journalist beobachtet seit Wochen wie elektrisiert die Katastrophe. Er hat einen eigentümlichen emotionalen Mix bei seinen Landsleuten entdeckt. „Natürlich gibt es viel Wut darüber, was passiert ist, aber auch „diese große Ohnmacht.“ Kajimura erkennt „deutliche Schamgefühle“ und einen „Zustand tiefer Depression“. In den ersten Tagen war der 64-jährige Wahlberliner, wie die meisten Japaner, ganz von der Angst um Verwandte und Freunde beherrscht gewesen. Die Enkelkinder der Schwester in Tokyo wurden eilig in die USA ausgeflogen, andere Kinder aus der Verwandtschaft Richtung Osaka evakuiert.

Nach dieser Akutphase der Trauer und der Sorge um die Liebsten kehrte langsam der nüchterne Blick auf die Katastrophe zurück. Kajimura ist Energieexperte, er kennt den deutschen Atomstreit genauso gut wie den japanischen Atomkonsens. Wie konnte man ausgerechnet in dem am massivsten durch Erdbeben gefährdeten Land der Welt 54 Atommeiler in geologisch teilweise superaktiven Gebieten bauen? Wie konnte man sich nach den 250.000 Opfern von Hiroshima und Nagasaki in ein atomares Energiegefängnis einmauern? Die Antwort ist bekannt: Japan wollte das Leid der Atombomben in etwas Gutes verwandeln. Der wirtschaftliche Erfolg sollte die Leichenberge zudecken – mit Hilfe der friedlichen Atomtechnik als Motor eines rohstoffarmen Landes. „Alle haben diese Lebenslüge geglaubt, jetzt ist sie offenbar geworden, deshalb diese Fassungslosigkeit“, sagt Kajimura.

Eine japanische Besonderheit ist auch die Nicht-Reaktion auf Tschernobyl. Die Strahlenwolke der Ukraine hat Japan nie erreicht, weder materiell, noch politisch. So wuchs der japanische Atomstromanteil rasant weiter, während Öl-gefeuerte Kraftwerke, die 1980 noch 43,3 Prozent der Stromversorgung deckten, auf 8,1 Prozent (2005) zurückgingen. Im Mai 2006 hat Japan den letzten nationalen Atomplan verabschiedet. Zielmarke: 40 Prozent Kernkraft im Strommix bis 2030. Laufzeitverlängerungen auf 60 Jahre gehören ebenso zur Atompolitik wie der Einsatz von Schnellen Brütern und Wiederaufarbeitungsanlagen, um Plutonium zurück zu gewinnen. Japan ist in jeder Hinsicht Atomhardliner.

Wie soll es jetzt weitergehen? Kajimura lässt sich Zeit mit der Antwort. Deutschland habe eine ganze Generation gebraucht, um die Naziherrschaft zu verdauen. Jetzt stecke Japan in der größten Krise nach dem Krieg und werde ebenfalls eine ganze Generation brauchen, um die zweite große Niederlage des Landes, von der jetzt viele reden, zu bewältigen. Aber Kajimura ist optimistisch. Zum ersten Mal sei in japanischen Zeitungen Ende April der Begriff „Ausstieg“ aufgetaucht und die Resonanz auf die deutsche Energiewende sei gewaltig. Regierungschef Kan habe zwar trotzig sein Festhalten am Atomkurs beteuert, aber Kajimura ist dennoch sicher: „Einen weiteren Neubau von Kernkraftwerken halte ich nach Fukushima für unmöglich.“

Ein Beleg dafür sind die erstaunlichen Aussagen des japanischen Nobelpreisträgers Kenzaburo Ooe im New Yorker und in der französischen Zeitung Le Monde. Der große alte Mann der japanischen Literatur hat seinen Landsleuten ungewöhnlich heftig ins Gewissen geredet. Seine Standpauke gipfelt in der Aussage, dass der japanische Atomkurs „Verrat an den Hibakusha“ sei, den Atombombenopfern, die in Japan fast den Status von Heiligen haben. Für Kajimura ist diese Aussage der Beginn eines langsamen Umdenkens, auch wenn seine schockierten Landsleute das ganze Ausmaß der Atomkatastrophe noch nicht begriffen hätten.

Und die Alternativen? Bei den Erneuerbaren Energien habe Japan „20 Jahre geschlafen“ und die technologische Führung, die man noch Anfang der 90er Jahre auf dem Solarsektor besaß, verspielt. Kajimura fordert auch auf diesem Gebiet Geduld für Veränderungen. Die Potenziale, vor allem für Windkraft, Gezeitenenergie und Geothermie – das ganze Land ist gespickt von heißen Quellen – sind allerdings gewaltig.

„Das Lernenwollen aus der Katastrophe wird groß sein“, prophezeit Udo Simonis, Japankenner und Herausgeber des Jahrbuchs Ökologie. Simonis erinnert an den umweltpolitischen Schlingerkurs des Landes, der unter Druck bisweilen große Erfolge feierte: So wurde der Smog über Tokyo schnell und nachhaltig bekämpft, der Katalysator frühzeitig eingeführt, und japanische Richter seien zu radikalen Umweltschützern geworden als die schweren Quecksilber- und Cadmium-Vergiftungen durch die rücksichtslose Industriealisierung der Nachkriegsära offenbar wurden.

Also doch noch Chancen für die Energiewende im Land der aufgehenden Sonne? Kajimura: „Langfristig wird Japan umsteigen, davon bin ich fest überzeugt“, aber jetzt müssten erst Regenzeit und Taifun-Saison überstanden werden. Im Juni kommen die ersten schweren Stürme. Nicht auszudenken, wenn es wieder Fukushima treffen sollte.



掲載誌:ZEO2 フクシマ特別号2011年6月
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